Schwere Gewitter und Tornados

Heute stand die große Lage an. Schon seit einigen Tagen rechnete das SPC (Storm Prediction Center) mit schweren Gewittern mit sehr großem Hagel und langlebigen, starken Tornados, die historische Ausmaße annehmen könnten. Darum gab das SPC auch ein High Risk für das nördliche Oklahoma und das südöstliche Kansas heraus. So gesehen also derTag schlechthin, aber es gab auch eine Kehrseite der Medaille. Die Zellen würden sehr schnell unterwegs sein. Bis zu 60 Knoten. Wir mussten also einen Standort wählen, der am besten nicht in der Zugbahn der Zellen lag, andererseits war klar, dass wir uns nicht hinter dem Auslösegebiet positionieren konnten, denn dann würden uns die Zellen einfach abhängen und das Chasing wäre nach kurzer Zeit beendet.

Wir entschlossen uns, in Perry nördlich von Oklahoma City auf die Auslöse zu warten. Dieser Standort lag im High-Risk-Gebiet und gab uns die Möglichkeit, später in alle vier Himmelsrichtungen zu bewegen. Die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Interstate, gab uns zudem die Möglichkeit, schnell die Position zu wechseln, was heute sehr wichtig war. Mit Perry als Standort konnten wir nicht so falsch gelegen haben, denn dort warteten etliche Chaser auf die Auslöse, unter anderem auch das Team von Vortex 2. Eine günstige Gelegenheit, sich die Fahrzeuge mal aus nächster Nähe anzuschauen. Auch bekannte Leute wie Sean Casey liefen neben uns auf dem Parkplatz herum. Wie klein doch plötzlich die Chaserwelt ist, wenn die richtige Lage ansteht.

Der Himmel und die Temperaturen machten allerdings noch nicht den Eindruck, als ginge heute die Post ab. Der Himmel war grau und trüb und bei einer steifen Brise aus Süden war es recht kühl. Morgens am Hotel in Enid gab es noch Nieselregen bei 15 °C. Erst als um die Mittagszeit die Sonne herauskam, wurde es etwas angenehmer. Plötzlich brach die Gruppe von Vortex 2 nach Süden auf. Viele Chaser folgten denen.

 

Es löste kurze Zeit später in der grauen Suppe westlich von uns aus. Wir warteten noch kurz die Entwicklung einer Zelle ab, denn eine Fehlentscheidung wäre heute nicht mehr zu korrigieren gewesen. Wir entschieden uns schließlich die Interstate nach Norden zu fahren, nicht allzu weit, nur bis auf die Höhe von Blackwell, etwa 15 Meilen südlich der Grenze zu Kansas. Immer wieder konnten wir helle, diffuse Lichtimpulse wahrnehmen. Die Tornadosirene des Ortes wurde aktiv. Das Weather Radio gab eine Tornadosichtung durch. Der Tornado konnte nur wenige Meilen von uns entfernt sein, aber wir sahen nur eine dunkelgraue Wand. An der Zelle konnten wir nicht den Hauch von Strukturen ausmachen.

Da davon auszugehen war, dass man die Tornado erst sehen konnte, wenn man ihn schon direkt vor der Nase hatte, entschieden wir uns nicht dafür weiter nach Westen zu fahren, sondern erst ein Stück nach Osten, um dann die Zelle auf dem Highway 77 Richtung Arkansas City seitlich anzufahren. Jetzt endlich! Strukturen! Ein Aufwindturm schoss links von uns senkrecht in die Höhe. Alles schon wieder hinter den Bäumen. Keine Zeit zu diskutieren, schnell weiter. Wir kamen durch Arkansas City. Dicke abgebrochene Äste lagen auf der Straße. Nordöstlich von der Stadt war eine Straße gesperrt, überall Vegetationsschäden zu sehen. Teile von einem Dach hingen in der Stromleitung. Hier muss ein Tornado durchgegangen sein.

Der Schadensverteilung nach zu urteilen ein Multivortex-Tornado. Die Zelle war aber für uns schon wieder außer Reichweite. Nächste Zelle und somit nächste Chance etwas mehr zu sehen weiter nördlich. Der Himmel riss kurz auf, ehe es wieder grau wurde. Links wurde es schon wieder dunkel. Plötzlich fielen dicke Tropfen auf die Windschutzscheibe. Kurze Zeit später Starkregen und kleiner Hagel. Der Wind drückte den Niederschlag entlang der Kabel in die Autos. Bei mir in Tomate 1 stand schon Wasser auf dem Boden. Ich mußte aufpassen das der PC nicht nass wurde, denn ein Systemausfall wäre fatal gewesen.

Wie gut, dass der Himmel nur wenige Minuten später wieder aufhellte und der Regen nachließ. Jetzt war zum ersten Mal Zeit einige gute Fotos von der abziehenden Zelle zu machen.Wo waren wir eigentlich? Schon auf Höhe Wichita. Nordwestlich von Wichita gab es noch eine Zelle. Also weiter nach Norden. Aber war es das wert, wo wir doch morgen wieder weit nach Süden mussten und die bisherigen Zellen nicht wirklich fotogen waren? Versuch macht klug. Die Entscheidung die Zelle anzufahren war richtig. Sie war isoliert, hatte eine gut auszumachende Flanking Line und es zogen von Osten immer wieder Wolkenfetzen in die Zelle hinein. Die Sonne stand bereits sehr tief und tat ihr übriges, um eine schöne Szenerie entstehen zu lassen.Wir sahen eine Shelfcloud, die von der Zelle abgestoßen wurde und einsam über das Land zog, auf uns zukommen. So etwas hatte ich nie zuvor gesehen.